Nun sitze ich hier: Mitten im wunderschönen Island, aber etwas frustriert. Nach meinem unglaublichen Tag heute im Hochland habe ich eine in mehrfacher Hinsicht scheinbar falsche Entscheidung getroffen: Ich bin Richtung Norden gefahren. Was ich davon habe? Einen leeren Tank, eine geschlossene Tankstelle, Ödland und einen platten Reifen.
Hier die ganze Geschichte:
Heute Morgen noch bin ich im Paradies aufgewacht, auf einem Campingplatz zwischen braun-weißen Samtbergen und einem Fluss, der sich seinen Weg durch die Bergkette gesucht hat. Es war zwar noch nebelig, aber nach meinem Kaffee habe ich meine sieben Sachen gepackt und bin die gestern geplante Reise entlang der F-Route angetreten. Mit wie immer gepacktem Kamerarucksack auf dem Beifahrersitz und 3 lagiger Kleidung verlies ich den wunderschönen Campingplatz ostwärts und bog dann gleich auf eine steile Piste ab. Der Weg aus Tennisballgroßen Steinen machte meinem Jeep zwar nichts aus, mir erschwerte er aber das Filmen während der Fahrt – ich weiß, schimpfen dürft Ihr in den Kommentaren. Je höher ich kam, desto nebliger wurde es. Nach circa 100 geschafften Höhenmetern war ich bei 800m über dem Meer angekommen und die Sicht dann so eingeschränkt, dass ich auf 20km/h runter bremsen musste. Mein Jeepinternes Thermometer verriet mir, dass es bereits 3 Grad kälter war, als an meinem Startpunkt – inzwischen war ich bei 4 Grad angekommen. Die „Straße“ vor mir wurde schmaler, das war ganz klar daran zu erkennen, dass rechts und links von meinem Auto nur noch eine weiße Masse zu erkennen war – das bedeutete Abhang und alles war möglich. Irgendwie war angsteinflößend, aber auch urgemütlich im Auto. Es sah aus wie auf dem Mond – jedenfalls stelle ich mir so den Mond vor. An einer Stelle musste ich schließlich mal anhalten, plötzlich war nämlich die Nebelwand etwas aufgeklart und eine Bergkette mit einem Wasserfall ließ sich erahnen. Beim Aussteigen blies mir die kalte, nasse Luft ins Gesicht. Um mich herum war es vollkommen still!
Nach insgesamt 20 Minuten Fahrt und 400 Höhenmetern endete die Route und ein Parkplatz – also ein etwas breiteres Stück Schotter wurde sichtbar und dort stellte ich den Wagen ab. Mein Rucksack war bereits gepackt und ich griff mir lediglich einen Apfel und meine Flasche Wasser und lief erst einmal dem Blubbern entgegen. Nachdem ich mir den Wanderpfad ertastet hatte, lief ich die künstlich eingelassenen Lehmstufen herunter. Neben mir immer noch ein Nebelabgrund, nur ein Plätschern war zu hören. Etwa 5 Minuten später kam ich an ein Schild auf dem einige Hinweise an Wanderer zu finden waren – zum Beispiel nicht alleine loszugehen und wenn doch, vorher die Route an www.travelsafe.is weiterzugeben, für den Fall, dass man vermisst wird. Gut, dass ich beides links liegen ließ. Mein Motto lautet schließlich: Wenn ich sterbe, dann glücklich!
Da es immer mehr aufklarte, wurden nach und nach Bergspitzen sichtbar, von denen ich nie geglaubt hätte, dass sie so hoch sein könnten. Vor mir tat sich eine Welt auf, die ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte: Braune Samtberge mit weißen Flecken, die natürlich zum Gletscher gehörten. Im Tal schlängelte sich ein Fluss hindurch und an einigen Stellen dampfte und rauchte es aus dem Boden. Ich war im Paradies – naja, jedenfalls in meinem Paradies!
Ich wanderte wie im Bann circa 5 Stunden durch diese Traumwelt und machte ab und zu Pause, um meine Unsportlichkeit zu vertuschen oder um ganz einfach den Ausblick zu genießen. Einmal kam mir ein chinesisches Touristenpärchen entgegen, die Ihrem Klischee wirklich alle Ehre machten. Ich schätze sie haben die Tour in unter 1 Stunde und 5000 Fotos mehr abgeschlossen – nichts für mich!
Im Tal angekommen, setze ich mich neben eine Brücke über die ich gelaufen war, um meine Tour machen zu können. Doch jetzt schien die Sonne und alles sah so anders aus als vor 5 Stunden noch. Ich blieb dort eine Weile sitzen und sah dem Fluss beim fließen und den heißen Quellen beim sprudeln zu. Ich war wirklich im Paradies!
Nachdem ich dem Sterben nahe, aber überglücklich am Auto ankam, stellte ich fest, dass das Brodeln wohl mein Magen gewesen sein musste und machte eine halbe Stunde Essenspause in meinem Kofferraum mit geöffneter Heckklappe und schaute auf diese unwirkliche Landschaft. Bei Sonnenschein und ohne Nebel sah das hier überhaupt nicht mehr gruselig aus, eher magisch!