Mittwoch, 24. August 2016
Heute ging unser – wie Eric immer so schön sagt – „Bedmobil“ kaputt, wir standen mitten im Nirgendwo zwischen dem Glenfinnan Viadukt und Fort William. Wäre ja gelacht, immerhin haben wir zwei ADAC Plus Mitglieder dabei. Aber nichts da – der ADAC hat uns schnell zu verstehen gegeben, dass das nicht abgedeckt ist und uns mit unserem Schaden sitzen lassen. Vielen Dank an dieser Stelle an diesen prima Verein! Das war der erste Verzweiflungsanfall!
Als wir alle Möglichkeiten gecheckt, den ADAC abgehakt hatten, die Verzweiflung auf dem Höhepunkt war, biegt ein schwarzer Van um die Ecke und bleibt stehen. Ein Mann Anfang Vierzig steigt aus dem Auto. Als er in seinem sympatischen schottischen Englisch fragt, ob er uns helfen kann und wo wir die Nacht verbringen würden, erklären wir ihm, dass wir eine Panne haben und eigentlich nur zum Wenden angehalten haben, um auf den anliegenden Campingplatz zu fahren. Er erklärt uns, dass er der Besitzer des Platzes ist und dass er uns mal eben auf den Platz schleppt. Mit einem „I’ll be back in bout 15 minutes“ verschwindet er und lässt uns vier vollkommen perplex und ungläubig grinsend zurück.
Als er wieder kommt, hat er einen Range Rover und ein Seil dabei und schleppt uns 500m auf den Campingplatz, der bisher der mit Abstand schönste Platz ist. Wir können es immer noch nicht fassen, sind uns inzwischen aber sicher, dass Schotten die bisher freundlichsten Menschen sind, die wir vier je getroffen haben.
Auf dem Campingplatz beschließen wir erstmal kurz zur Ruhe zu kommen. Während Phil den Grill anschmeißt, telefoniert Tophi mit seinem Vater und ich checke eine Möglichkeit für eine andere Versicherung, weil mir eingefallen ist, dass ich über meine Visa Karte einen Auslands-Schutzbrief habe. Ich habe ein etwa 30 minütiges Gespräch mit einem Mitarbeiter der Deutschen Assistance Versicherung, der mir mit aller Geduld und Mitgefühl meine Möglichkeiten und die Versicherung erklärt. Erste Erleichterung macht sich breit. Wir unterbrechen, weil er vorerst nichts für mich tun kann, bis wir am nächsten Tag nicht den Abschleppdienst und eine erste Diagnose haben.
Donnerstag, 25. August 2016
Ich glaube so wenig und schlecht haben wir alle bisher noch nie geschlafen. Zum einen war es heute Nacht so kalt, dass mir die Füße zwischenzeitlich abgefroren sind. Zum anderen ging mir die ganze Nacht immer wieder „Getriebe oder Kupplung? Getriebe oder Kupplung?“ wie ein Mantra durch den Kopf. Dann die Frage, wie viel das kosten wird und ob mein Island-Urlaub dadurch in Gefahr gerät. Außerdem war völlig unklar, wie lange die Reparatur dauert und ob wir solange hier bleiben – viele ungeklärte Fragen.
Der Tag beginnt früher, als alle anderen zusammen. Um 08.00 Uhr klingelt der Wecker und wir sind alle wach. Zwar weniger wegen des Weckers, sondern eher wegen der Kälte, die uns begrüßt. Über Nacht hat es so abgekühlt und geregnet, dass es nun über den Tag nur 7 Grad hat. Meine erste Aktion besteht darin mein Laptop anzuschmeißen und nach Möglichkeiten zu erkundigen hier weg zu kommen. Meine zweite Tat: Mit der Deutschen Assistance Versicherung telefonieren. Nun habe ich Markus, meinen freundlichen Serviceberater auf der anderen Seite. Er begleitet mich die nächsten zwei Tage in allen Fragen, sodass wir am Ende sogar per „Du“ sind. Spätestens als er mir verschiedenste Tipps für andere Versicherungen gibt, bin ich begeistert von dem Service. An dieser Stelle ein riesen Dank an die DAV und Markus, der wirklich viel Geduld mit mir hatte. Du warst meine Rettung!
Und Leute, bevor ihr eine Plus-Mitgliedschaft über den ADAC bucht, schaut lieber mal bei der DAV vorbei.
Während einer das Auto aufräumt, der andere duscht und zwei mit Handys am Ohr im Kreis rennen, kommt unser „Nachbar“ – ein schottischer Dauercamper – bietet uns heißes Wasser für unseren Kaffee an, stellt uns lächelnd eine seiner Thermoskannen auf den Tisch und fährt dann weg – als wäre es völlig selbstverständlich! Und als wäre das noch nicht genug: Zwei Minuten später fährt Woody mit seinem Transporter vor, seine 4-jährige Tochter und er steigen aus und bringen uns Eis! Verrückt, diese Schotten!
Den Tag verbringe ich bis abends um 18 Uhr damit, mit meiner Versicherung, Basti – dem das Auto gehört und der auf Stand bleiben möchte – und Werkstätten zu telefonieren, bis abends ein Mechaniker der AA (dem schottischen Pendant vom ADAC) vorbeikommt und uns einen Schaden des hinteren Diagnosts differenziert…äh, Differentials diagnostiziert. Damit sind dann zumindest schonmal die Hälfte der Möglichkeiten vom Tisch, den Schaden in Schottland zu reparieren würde nämlich mindestens zwei Wochen dauern. Also telefoniere ich ein weiteres Mal mit Markus und organisiere das Verschiffen des Crafters und unsere Abreisen. Zu erwähnen ist hier sicher auch die AXA, die die Rückreise für die Jungs reibungslos organisiert. Als wir dann abends vorerst alles geklärt und organisiert haben, lege ich auf und läute den Feierabend offiziell ein. Da wir über den Tag von Keksen, Eis und Wasser gelebt haben, gehen Phil und ich einkaufen. Netterweise nimmt Woody uns in seinem Bully mit, was an sich schonmal ein Abenteuer ist. Nicht nur, dass das Ding aus allen Löchern klappert, er hat auch allen Ernstes einen Schornstein aus seinem Dach gucken und einen Kachelofen hinten drin – abgedreht. Woody kommentiert das mit „That’s Scotland. And I love Scotland!“ und grinst.
Im Coop kaufen wir das nötigste zum Grillen und vier Flaschen Gingerbier ein, das ich ein paar Tage zuvor für mich entdeckt habe.
Wir laufen etwa 20 Minuten zurück und quatschen über die ganzen verrückten und wahnsinnig schönen Dinge, die wir bis hierher erlebt haben. Die Reise – so unvorhergesehen ihr Ende ist – ist eine der schönsten, die ich bisher unternommen habe. Die Stimmung war fast ausnahmslos gut, die Landschaft atemberaubend schön, das Wetter war großartig und die Schotten habe ich tief in mein Herz geschlossen. Wir sind glaube ich alle etwas überrascht, wie gut wir vier uns verstehen und ich persönlich hätte mir keinen besseren Mitreisenden als Eric vorstellen können – Eric, wir hatten wirklich Glück mit Dir. Danke!
Zurück auf dem Campingplatz grillen wir, trinken unser Gingerbier und gehen schlafen. Denn auch wenn wir heute nicht wirklich viel unternommen haben, war es einer der anstrengendsten Tage bisher.
Freitag, 26. August 2016
Als ich aufwache nieselt leichter Regen auf das Crafterdach. Es ist fast genauso kühl wie gestern, aber heute bin ich besser darauf vorbereitet. Ich brauche eine Minute, um mich zu überwinden mich nicht nochmal umzudrehen und greife zu meinem Handy, um mir aufzuschreiben, was heute alles zu erledigen ist: Übergabe des Crafters organisieren, Flug buchen, Packen, Crafter transportbereit machen, Fahrt nach Edinburgh raussuchen. Allein der letzte Punkt wird mich Stunden kosten, aber ich fange damit an meinen Flug zu buchen. Da die Jungs über AXA zurückfliegen, muss ich meinen Flug separat buchen, außerdem fliege ich diesmal nicht nach Berlin, sondern nach Hamburg. Der Flug der Jungs geht bereits am Samstag, ich finde einen Flug am Sonntag – wir wollen aber so schnell es geht nach Edinburgh, um auch sicher den Flug zu bekommen, daher planen wir heute Abend bereits rüber zu fahren. Meine Versicherung bietet mir eine Fahrt mit dem Taxi von Fort William nach Edinburgh an, die stolze 700€ kostet und wird natürlich nicht ganz übernommen werden kann. Da mein Goldesel zur Zeit ebenfalls im Urlaub ist, lehnen wir das Angebot ab und nehmen stattdessen die Bus- und Zugverbindung, die uns meine Versicherung vollkommen erstattet.
Leider ist das Anmieten von Leihwagen an einer anderen Station als er wieder abgegeben wird (One-Way-Miete) in Großbritannien sehr schwierig und nur über ganz wenige Anbieter verfügbar, daher fällt diese Option für uns auch weg.
Der lustige Schotte von nebenan ist wieder wach und heute habe ich das Gefühl, dass er etwas Gesprächsbedarf hat so ganz alleine, also quatschen wir etwas mit ihm, während wir aufräumen.
Der restliche Tag besteht eigentlich nur noch aus Duschen, Packen und Hin- und Herlaufen und Organisieren. Nachdem alles zusammengepackt – zumindest das, was in jeweils 20kg Reisetaschen passt – und der Rest im Crafter verstaut ist, gehen wir zu Woody, dem wir so unfassbar viel zu verdanken haben, und bedanken uns ausgiebigst – am Liebsten würde ich ihn knuddeln. Dann kommt unser Taxi und bringt uns zum Busbahnhof in Fort William. Schon da überkommen mich Fernweh und Trauer, was ich aber erst später im Bus nach Glasgow richtig beschreiben kann. Dort sitze ich, schaue mir ein letztes Mal die vorbeiziehenden Berge und Wasserfälle („BRÜCKE“, „SCHAF“, „KOMPOSITION“) an und denke an die letzten zwei Wochen zurück. Daran, dass wir uns eigentlich gar nicht so doof angestellt haben, was unsere Spotauswahl betrifft. Daran, dass wir unglaubliche Orte und Landschaften sehen durften. Daran, dass wir die Schotten und ihre herzliche Art lieben gelernt haben. Daran, wie viel Glück es braucht, um so jemanden wie Eric für den Trip zu finden. Daran, was wir am Ende für ein eingespieltes Team waren – ohne Stress, ohne persönliche Probleme. Daran, wie viel wir gelacht haben, so groß der Schaden auch war. Und daran, wo wir wohl das nächste Mal zu viert hinfahren!
Danke Tophi, für Deinen stumpfen Humor und die Fähigkeit immer Blödsinn und gute Laune zu verbreiten.
Danke Phil, für deine Grill- und Drohnenskills und deine Art „Bildgestaltung – Synonyme erlaubt!“ zu sagen.
Und danke Eric, für Deinen guten Musikgeschmack und dafür sich einfach mal anzuschweigen und den Moment zu genießen.
Danke Jungs!