Komplett nass und Stoßgebete aussendend, dass meine Kamera noch funktionierte, setzte ich mich wieder auf den Fahrersitz. Es war angenehm warm, ich zog meine Jacke aus und wickelte mich in mein Handtuch ein. So saß ich etwas 10 Minuten da und überlegte, ob ich den restlichen Abend und die Nacht hier verbringen sollte oder ob ich der Straße Richtung Hochland folgen und auf gut Glück nach einem Platz suchen sollte, an dem ich bis morgen früh parken konnte. Wer Island vor Augen hat, denkt bestimmt an viele weite Landschaften und unzählige Möglichkeiten sein Auto abgelegen parken zu können. In bestimmten Regionen Island war das aber gar nicht so einfach. Es gibt Naturschutzgebiete, in denen das freies Campen verboten ist, Lavafelder auf denen kein Auto wirklich Halt findet und ich mir im schlimmsten Fall die Reifen platt fahre und es gibt – wie hier – nur selten abschüssige Straßen, die von der Hauptstraße weg führen und wo ich ohne weiteres mein Auto parken kann. Trotzdem entschloss ich mich ein Stück weiter zu fahren. Inzwischen war es sehr dämmrig und ich musste das Abblendlicht einschalten. Das Radio lief leise im Hintergrund, als ich wieder auf die Straße rauffuhr, die mich zum Wasserfall gebracht hatte. Ich fuhr vom Meer weg Richtung Inland und in der Ferne waren wieder mal Gebirgsketten zu sehen, die alle in ein dunkelblau gehüllt waren – unglaublich schön und geheimnisvoll! Die Straße war zwar befestigt – an den Seiten war sie mit gelben Markierungen abgesteckt – trotzdem wurde es immer ruckeliger im Auto und ich war froh keinen Gegenverkehr zu haben. Nach circa 5 Kilometern kam ich an eine Flutbrücke – Gitter, die im Boden eingelassen waren, damit das Wasser ohne größere Überschwemmungen passieren konnte und die beim Überqueren das ganze Auto beben ließen und ein lautes, unangenehmes Geräusch verursachten. Kurz dahinter hielt ich mitten auf der Straße an und stieg aus. Kein Stein bewegte sich, keine Tiere machten Geräusche, kein Rauschen eines Flusses – völlige Stille! Neben der Straße und direkt vor meiner Nase lagen viele kleine flache Seen, die im Abendlicht glänzten und funkelten. Dahinter, weiter weg, lagen Vulkane, die hinter einer blauen Nebelwand verschwommen zu sehen waren. Ich hatte vermutlich die ganzen 3 Minuten, in denen ich die Situation zu begreifen versuchte, den Mund offen, bis mich Scheinwerfer aus meiner Trance rissen. Ein Auto kam mir entgegen und als er sah, dass es ziemlich eng werden würde bremste er ab. Als er vorsichtig vorbeigefahren war, kurbelte der Jeepfahrer die Seitenscheibe runter und versuchte mir circa 30 Sekunden etwas zu erklären, wovon ich aber keinen Ton verstand. Er begriff sehr schnell, dass ich wohl Touristin sei und wechselte zu meinem Glück zu Englisch. Jetzt begriff ich auch, wieso er beim Reden mit seinen Armen fuchtelte und in die Richtung zeigte, aus der er gekommen war. Er teilte mir mit, dass es dort auf Grund von Gletscherschmelze Hangrutsche gegeben hatte, die Straße nicht mehr befahrbar sei und ich lieber umdrehen solle, da es vermutlich noch mehr Hangrutsche geben würde. Nachdem ich mich bedankt hatte, die eben noch so magische Situation in Fotos festhielt und wieder im Auto saß, fuhr ich folgerichtig weiterhin Richtung Hochland – den Anblick von Steinlawinen ließ ich mir doch nicht nehmen.
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